Christoph Wildhaber

Vertriebsrecht

Stillstand bedeutet Rückschritt

Veränderung ist nicht jedermanns Sache, doch ist sie in Vertriebssystemen unabdingbar. Stete Innovation ist gerade in Franchisesystemen der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg. Auch wenn dafür alte Gewohnheiten abgelegt werden müssen.

24.09.2019 Dr. Christoph Wildhaber

Das umgangssprachliche Bonmot, dass nur Babys mit nassen Windeln Veränderungen mögen, sagt im Kern, was wir alle immer wieder empfinden: Veränderungen ritzen unschön am Bekannten und Gewohnten. Sie verlangen Offenheit für Neues und Anpassungsfähigkeit. Nicht allen passt dies. Und doch kommen Vertriebssysteme wie beispielsweise Franchisenetzwerke, die auf nachhaltigen Erfolg ausgerichtet sind, nicht darum herum, sich Veränderungen zu stellen.

Innovation vs. Replikation

Vertriebssysteme befinden sich in einem steten Spannungsfeld: Einerseits nach dem Grundsatz «einmal denken, hundertmal machen» möglichst Bestehendes systematisch zu replizieren, andererseits sich dem Wettbewerb stellen zu müssen, auf veränderte Marktbedingungen einzugehen und sich immer wieder neu zu erfinden. McDonald’s nennt diesen feinen Grat zwischen Innovation und Replikation des Bestehenden «Continnovation». Mit anderen Worten: weiterhin Wettbewerbsvorteile erhalten, indem man stets die Nase zuvorderst hat und gleichzeitig Bestehendes effizient und systematisch weiterführen.

Als Produktversprechen eines Franchisegebers gilt typischerweise der Erfolg des Franchisenehmers und die Sicherheit im Netzwerk einer Gruppe von Gleichgesinnten. Will der Franchisegeber dieses nachhaltig erfüllen, muss er sein Vertriebssystem stets daraufhin überprüfen, ob es weiterhin marktfähig ist, und so anpassen, dass es zukunftsgerichtet bleibt. Innovationsmanagement ist somit zentraler Teil des Leistungspakets eines Franchisegebers.

Innovationsthemen

Die primäre Frage, die sich ein Systemgeber stellen muss, ist, wo Innovation ansetzen soll. Innovation kann sowohl produktseitig verstanden wie auch system-/prozessmässig angegangen werden.

In der Vertriebswelt sieht man heute vor allem Digitalisierung und Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch und sozial) als zentrale Innovationsfelder. Innovation darf aber nie insoliert, sondern sollte themenübergreifend betrachtet werden. Typischerweise führen zum Beispiel Produktinnovationen auch zu Veränderungen im Marketing, in der Schulung der Vertriebspartner oder im Auftritt am Point of Purchase.

Involvieren

Zielgerichtete Innovation funktioniert nur, wenn die massgeblichen Beteiligten involviert werden. Kunden- und Franchisenehmer Feedbacks helfen, «den Puls zu nehmen». Denn Innovation ist nicht das Privileg der Systemzentrale. Der BigMac von McDonald’s war denn auch keine Erfindung des Franchisegebers. Oder Tchibo betreibt eine eigene Tchibo-Community, wo Kunden als Produktetester eingeladen werden.

Ein Partnerbeirat etwa befasst sich idealerweise nicht nur mit der nächsten Verkaufsaktion, sondern auch mit mittel- und langfristigen Trends und entsprechendem Veränderungsbedarf im Vertriebssystem.

Sinnvollerweise werden einzelne Innovationsthemen von aussen durch die Spezialisten der Systemzentrale beurteilt, Ideen vor dem Rollout pilotiert und Neuerungen dann systematisch gegenüber Vertriebspartnern und – wo nötig – Kunden kommuniziert. Dazu werden Trainingsunterlagen angepasst, beispielsweise Webinare durchgeführt und damit sichergestellt, dass systemweit die Veränderungen verstanden werden können.

Agile Innovation

Unsere schnelllebige Welt mit sich stetig verändernden Bedürfnissen und einem ebenfalls aktiven Wettbewerbsumfeld erlaubt kaum mehr über längere Zeit geplante detaillierte grosse Innovationswürfe. Vielmehr empfehlen sich überschaubare und effektive Innovationsimpulse in kurzen Sprints, die in kleinen Arbeitsgruppen (als Franchisegeber z.B. zusammen mit einigen Franchisenehmern) entwickelt und getestet werden («proof of concept»), bevor ein systemweiter Rollout erfolgt. So können relativ schnell Veränderungen vorgenommen, getestet und gegebenenfalls wieder zügig verworfen werden. Gerade bei grossen Franchisesystemen wird so der Innovationsdampfer zu einer Flotte von kleinen wendigen Booten. Dies allerdings bedingt auch eine etablierte Fehlerkultur im System. Denn man kann nicht davon ausgehen, dass jede Veränderung auch erfolgreich sein wird.

Innovation muss man messen. Auf dem Absatzmarkt zeigt dies etwa die Umsatzentwicklung oder die Veränderung in der Kundenzufriedenheit. Auf dem Partnermarkt kann dies eine Zufriedenheitsanalyse der Vertriebspartner aufzeigen.

Wissensmanagement

Keine Innovation ohne Wissensmanagement. Jede noch so gute Innovation bringt nichts, wenn sie nicht auch Teil des Wissensmanagements im Vertriebssystem wird. Veränderungen sind in den Franchisestandards abzubilden. Die Know-how-Sammlung ist anzupassen. Kommunikativ ist sicherzustellen, dass alle Systembeteiligten von den Veränderungen Kenntnis nehmen, davon möglichst überzeugt sind und diese auch umsetzen. Technische Lösungen wie beispielsweise Goalcampus können dabei unterstützen.

Rechtliche Seite

Innovationsmanagement ist nicht nur eine konzeptionelle Notwendigkeit, sondern auch rechtliche Pflicht. Die Tauglichkeit und Brauchbarkeit des Geschäftskonzepts muss nicht nur zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern über die ganze Vertragsdauer gegeben sein. Abgeleitet daraus, aufgrund der Fürsorgepflicht des Franchisegebers und der typischerweise engen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien ergibt sich die sogenannte Genusserhaltungspflicht oder eben die Innovationspflicht des Franchisegebers.

Dieser Artikel erschien erstmals in Marketing & Kommunikation 9/2019.

Einige Handlungsfelder zur Innovation in einem Vertriebssystem

  • Besteht eine Innovationskultur?
  • Sind Innovationsthemen identifiziert?
  • Wer sind die am Innovationsmanagement Beteiligten?
  • Sind die wichtigsten Abläufe und Entscheidungskriterien definiert?
  • Wie werden Innovationen umgesetzt?
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