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Pharmaceuticals and healthcare

VITH: Behördenpraxis

Wann dürfen Apotheker und Ärzte von Dritten entschädigt werden?

30.06.2020 Dr. Oliver Kaufmann  •   Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

In einem Strafverfahren hat sich Swissmedic mit der Zulässigkeit von Entschädigungen bei der Neueinführung von Generika befasst. [1] Entschädigt wurden Leistungen für das manuelle Erfassen von neuen Arzneimitteln im elektronischen Lagermanagement-system, die Schulung von Personal und das Einräumen der neuen Arzneimittel im Lager. Pro Neueinführung wurden Entschädigungen im Betrag von CHF 150 bis CHF 250 pro Apotheke oder Praxis gewährt. Die Entschädigung erfolgte als Warengutschrift.

Gegenüber Swissmedic machte die Lieferantin geltend, dass die Warengutschriften nicht als Gratismuster, sondern als Entschädigung für die Leistungen zu würdigen seien, welche die Apotheker und Ärzte für die Lieferantin erbracht hätten. Zur Begründung verwies sie auf eine mit Arztpraxen und Apotheken abgeschlossene Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

«Mit dieser Vereinbarung verpflichten Sie sich […], die Daten von Neueinführungen jeweils gleichentags direkt manuell in Ihrem System zu erfassen und sofort zum Verkauf anzubieten. Ihr ausserordentlicher, zeitlicher Zusatzaufwand und der Vorteil, den der Kunde dadurch erzielt, dass die neuen Arzneimittel schon vor der Erfassung in e-mediat ohne Verzögerung verkauft werden, werden abgegolten. Die Abgeltung beträgt CHF 16 pro Arzneimittelpackung, für die die Daten manuell erfasst wird. Sie erfolgt in Form von Warengutschriften.»

Welche Entschädigungen sind zulässig?

Swissmedic hat die Entschädigungen für die «Einstockung», die «Einsortierung in der Schublade» und die «Schulung von Mitarbeitenden» als unzulässig beurteilt. Diese Leistungen seien durch den Apotheker bei jeder Neueinführung zu erbringen. Entsprechend seien sie mit der Detailhandelsmarge abgegolten.

Demgegenüber hielt Swissmedic die Vergütung für die Neuerfassung eines Produkts als "nachvollziehbar". Im Gegensatz zur automatischen Aktualisierung, die alle 14 Tage erfolgt, habe die Fachperson hier tatsächlich einen Zusatzaufwand geleistet. Entsprechend sei eine Entschädigung dafür gerechtfertigt, jedenfalls im Grundsatz.

Ob die Höhe der Entschädigung von CHF 16 für die Neuerfassung auch angemessen war, hat Swissmedic nicht abschliessend geprüft. Denn Swissmedic stellte in Frage, ob die Ärzte und Apotheker die vereinbarte Gegenleistung überhaupt erbracht haben. Die Fachpersonen erhielten die Vergütung unabhängig davon, ob die manuelle Neuerfassung vorgenommen worden ist.

Was ändert sich mit der VITH?

Der Entscheid erfolgte unter dem bisherigen HMG, gemäss welchem Warenboni nicht grundsätzlich verboten waren. Seit dem 1. Januar 2020 ist die VITH in Kraft. Damit ist neu das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig und die Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) ist anwendbar. An der inhaltlichen Beurteilung von Vergütungen für Gegenleistungen von Fachpersonen wird sich aber wenig ändern.

Nach der VITH ist es zulässig, Ärzten und Apothekern eine Entschädigung zu gewähren, wenn sie bestimmte Dienstleistungen für einen Dritten erbringen. Die Vergütung muss in einem angemessenen Verhältnis zum effektiven Aufwand stehen. Unzulässig ist es, Ärzte und Apotheker für Leistungen zu entschädigen, die diese selbst erbringen müssen oder zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind.

Zulässig ist es insbesondere, Ärzte oder Apotheker für echte Mehrleistungen zu vergüten, die diese über ihre gesetzlichen Pflichten hinaus für einen Dritten erbringen.

Beim «Einsortieren von Arzneimitteln in die Schublade» oder dem Räumen von Regalen oder Lager ist dies offensichtlich nicht der Fall, weshalb derartige Entschädigungen auch unter der VITH unzulässig sind. Weniger eindeutig ist dies bei der «manuellen Neuerfassung». Auch Swissmedic anerkennt, dass es sich hierbei um eine echte Mehrleistung handeln kann.

Was ist zu beachten?

Gemäss der VITH muss eine Vereinbarung mit einer Fachperson über die Vergütung von Leistungen mindestens folgende Kriterien erfüllen:

  • Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen werden. Daraus muss zu entnehmen sein, welche Leistungen wie vergütet werden.
  • Die Vergütung darf nicht mittels Warengutschriften erfolgen. Warenboni sind per se unzulässig.
  • Die Vergütung muss angemessen sein. Zu diesem Zweck muss die Berechnungsgrundlage nachvollziehbar und verhältnismässig sein. Hier kann z.B. der Tarmed oder die LOA als Vergleich dienen.
  • Leistungen, welche Ärzte und Apotheker für sich selbst erbringen oder welche gesetzlich vorgeschrieben sind, dürfen nicht vergütet werden.

Die Vergütung von Ärzten und Apothekern durch Pharmafirmen oder Grossisten ist nicht per se verboten, sollte aber in jedem Fall nach obigen Kriterien sorgfältig geprüft werden.

Die Vereinbarung muss "gelebt" werden

Schliesslich ist es zentral, dass die Vereinbarung durch die Parteien korrekt umgesetzt wird. Das bedeutet, dass die Lieferantin regelmässig prüft, ob die vereinbarten Leistungen erbracht wurden und die Vergütung nur in diesen Fällen geleistet wird. In der Strafverfügung führt Swissmedic hierzu aus, dass die Ärzte und Apotheker offenbar nicht erkannt haben, dass «sie für die ihnen kommentarlos zugesandten Arzneimittelpackungen eine Gegenleistung erbringen sollten». Damit wurde der wichtigste Grundsatz – das die Vergütung für eine bestimmte Leistung zu erfolgen hat – missachtet.

[1] Strafverfügung vom 18. Dezember 2019 im Verwaltungsstrafverfahren 600 10 329. In diesem Zusammenhang vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil C-4724/2010.

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