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Competition and Regulatory

Ist Reden verboten?

Die Wettbewerbskommission (WEKO) geht im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz verstärkt gegen Kartellsünder vor. Besonders im Visier hat sie den grenzüberschreitenden Vertrieb, mithin in den Formen des Franchisings. Dabei hat sich gezeigt, dass die externe Kommunikation der betroffenen Unternehmen in die Beurteilung der Fälle einfliessen kann.

11.06.2015 Dr. Oliver Kaufmann

Aus Sicht der Unternehmen birgt eine kartellrechtliche Untersuchung verschiedene Risiken. Zunächst besteht oftmals ein Sanktionsrisiko. Sodann kann ein Kartellverfahren auch substantielle Reputationsrisiken mit sich bringen. Mit Blick auf die externe Unternehmenskommunikation stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob – und gegebenenfalls wie – sich Medienmitteilungen oder Äusserungen von Geschäftsleitungsmitgliedern auf die mit einem Kartellverfahren verbundenen Risiken auswirken können. Mit besonderem Blick auf drohende Reputationsverluste fragt sich zudem, wie die Unternehmen auf die Kommunikation der Wettbewerbsbehörden reagieren sollen.

Dieser Artikel wurde zusammen mit Beatrice Tschanz verfasst und erstmals in Marketing & Kommunikation 6-7/2015 publiziert.

Deutliche Worte der Behörden

Die öffentliche Diskussion um die Hochpreisinsel Schweiz zeigt, dass die Wettbewerbsbehörden politisch und seitens der Medien unter massivem Druck stehen. Sie müssen ihr «Produkt», im Kampf gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegenüber der Öffentlichkeit verkaufen. Es ist insofern nicht erstaunlich, dass in den Medienmitteilungen der Behörden mit deutlichen Worten kommuniziert wird. Die Behördenmitglieder äusseren sich zudem gerne und oft in Medienberichten oder Interviews zu Untersuchungseröffnungen und Sanktionsentscheiden. Die Kommunikationstätigkeit der WEKO ist geeignet, die öffentliche Wahrnehmung des untersuchten Unternehmens zu beeinflussen. Nachhaltige und schwer quantifizierbare Reputationsschä­den dürften bereits aufgrund der Untersuchungseröffnung die Regel, und nicht etwa die Ausnahme sein – selbst wenn von einer späteren Sanktion nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens nicht viel übrig bleiben sollte. So dürfte etwa die Kartellbusse von rund CHF 333 Mio. gegen Swisscom der breiten Öffentlichkeit besser in Erinnerung sein als der Umstand, dass das Bundesgericht die Busse spä­ter wieder aufgehoben hat.

Herausforderung für ­Kommunikationsspezialisten

Angesichts eines drohenden Reputationsverlustes stellt sich für ein betroffenes Unternehmen die Frage, ob und gegebenenfalls wie gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert werden soll. Lässt sich ein allenfalls bereits eingetretener Gesichtsverlust mit einer gewieften Medienmitteilung «geradekommunizieren», oder kann eine offensive emotionale Kommunikation gar kontraproduktiv sein? Ist nun plötzlich Schweigen Silber, und Reden verboten?

Diese Fragen sollte ein Krisenstab beantworten, der sich aus Mitgliedern der Geschäftsleitung, aus Kommunikationsspezialisten und weiteren am Fall beteiligten Schlüsselpersonen zusammensetzen. Deren Aufgabe ist es, die Probleme, Risiken und Chancen einer aktiven oder passiven Kommunikation zu analysieren und eine der Situation angepasste Strategie zu entwickeln.

Die WEKO ist gesetzlich zur Bekanntgabe einer Untersuchungseröffnung verpflichtet. Dementsprechend stehen grundsätzlich auch keine Rechtsmittel gegen die Publikation zur Verfügung. Daher ist eine besonnene Kommunikation unabdingbar.

Einfluss der Kommunikation auf Kartellverfahren

Die Beteiligten sollten sich fragen, wie sich die Medienmitteilungen oder andere Äusserungen eines Unternehmens auf ein laufendes Verfahren auswirken können. Kalkül und Vorbereitung sind die halbe Miete. Die andere Hälfte der Miete ist die Glaubwürdigkeit. Glaubwürdig ist ein Unternehmen, wenn der Chef persönlich, sachlich und offen kommuniziert, und vor allem, wenn das Unternehmen auf Worte Taten folgen lässt. Im Kartellverfahren bedeutet dies beispielsweise, die angekündigte umfassende Kooperationen mit der Wettbewerbsbehörde akkurat umzusetzen.

Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Wettbewerbsbehörden, die Medien und die Öffentlichkeit die externe Kommunikation der Unternehmen im Umfeld eines Kartellverfahrens aufmerksam beobachten.

Von ungleich grösserer Bedeutung ist jedoch der Umstand, dass die Wettbewerbsbehörden die externe Unternehmenskommunikation erschwerend zu berücksichtigen scheinen, falls sich daraus entsprechende Schlüsse für ein laufendes Verfahren ziehen lassen. So hat die WEKO etwa jüngst in ihrer – allerdings angefochtenen – Verfügung gegen BMW eine anlässlich der Untersuchungseröffnung von BMW im «Kassensturz» veröffentlichte Medienmitteilung ausdrücklich als Indiz dafür gewertet, dass BMW mit ihren Händlerverträgen im EWR eine kartellrechtlich unzulässige Abschottung des Schweizer Marktes bezweckte. Es sei dahingestellt, ob das Verfahren ohne diese Medienmitteilung einen anderen Ausgang genommen hätte. Die prominente Erwähnung in der Verfügung lässt aber zumindest vermuten, dass die Medienmitteilung bei der WEKO einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

Fazit

Die externe Unternehmenskommunikation in Kartellverfahren ist in erster Linie eine Herausforderung für den Kommunikationsspezialisten. Diese müssen ihre Texte aber in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Juristen verfassen – damit die kommunikative Offensive das Unternehmen nicht in die juristische Defensive treibt. Der stetigen Beobachtung durch die Wettbewerbsbehörden sollte in der Unternehmenskommunikation daher angemessen Rechnung getragen werden.

Aktive Kommunikation in Franchise-Systemen

Bei der Kommunikation in Franchise-Systemen gilt es zu bedenken, dass der Franchisegeber seinen Franchisenehmern wesentliche Elemente der Geschäftstätigkeit als System vorgibt, wobei die Franchisenehmer selbstständige Unternehmen bleiben. Der Franchisegeber tut daher gut daran, die externe Kommunikation zu den «systemkritischen» Bereichen selber aktiv zu gestalten und gleichzeitig intern die Franchisenehmer transparent und zeitnah über eine gemeinsame Kommunikationsstrategie des Systems zu informieren.

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Wer im Wettbewerb mit Konkurrenten gewinnbringend zusammenarbeiten oder seine Marktmacht optimal ausspielen will, muss die Regeln des Kartell- und Wettbewerbsrechts verstehen und die branchenspezifische Regulierung kennen. So wird Compliance zum Wettbewerbsvorteil.

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