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Distribution law

Vertriebssysteme: Die Qual der Wahl

Expansion durch systematischen Vertrieb mit selbstständigen Partnern: Es muss nicht immer Franchising sein. Eine kurze Übersicht im Dickicht der integrierten Vertriebssysteme.

04.09.2020 Melanie Käser

Mit integrierten Vertriebssystemen sind solche Systeme gemeint, bei welchen mit selbstständigen Partnern gearbeitet wird, denen je nach rechtlicher und konzeptioneller Organisation mehr oder weniger Know-how überlassen sowie Unterstützung im operativen Bereich gegeben wird.

Es geht um Franchising, Agentur, lizenzierten Vertrieb, Alleinvertrieb, selektiven Vertrieb oder Mischformen davon. Vor allem das Franchising hat in den letzten Jahren in der Schweiz an Beliebtheit gewonnen. Grosse Unternehmen wie McDonald’s, Subway, dieci Pizza, RE/MAX, Spar, Valora etc. machen vor, wie Franchising funktionieren kann. Es muss aber nicht immer Franchising sein. Andere Vertriebssysteme können sich genau so gut eignen, zudem werden die Begriffe Agentur und Franchising oftmals sowieso verwechselt.

Wie man sein Vertriebssystem schlussendlich nennt, ist aus rechtlicher Sicht aber nicht so entscheidend. Relevant ist vielmehr, wie ein System im Arbeitsprozess von allen gelebt wird.

Dieser Artikel erschien erstmals in Marketing & Kommunikation, Ausgabe 8-9/2020

« Systemgeber sind frei, individuelle Lösungen mit den Vertriebspartnern zu finden. »

Entscheidende Frage bei der Systemkonzeption ist, wie viel Einfluss man als systemgebendes Unternehmen am «Point of Sale» – also dort, wo der Kunde bedient wird – nehmen will und wie viel Risiko man auslagern möchte. Möchte man den Kundenkontakt selbst in der Hand haben und volle Kontrolle darüber haben, wie man gegenüber dem Kunden auftritt? Dann eignen sich integrierte Vertriebsmodelle mit unabhängigen Partnern eher nicht. Denn diesen Systemen ist immanent, dass man als Systemgeber darauf vertraut, dass der Vertriebspartner den Vertrieb ebenso gut macht, wenn nicht sogar besser. Dies natürlich immer unter Einhaltung der Systemvorgaben.

Ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium bei solchen Vertriebssystemen ist das «Pricing». Will man die Preise seiner Produkte selbst bestimmen, so muss man ein System wählen, bei dem die Kundenabschlüsse direkt mit dem Systemgeber erfolgen. Paradebeispiel dafür ist das Agentursystem. Bei diesem tätigt der Agent im Namen und auf Rechnung des Systemgebers die Abschlüsse. Der Preis wird vom Systemgeber bestimmt. Im Gegenzug erhält der Agent eine Provision. Bei den anderen Vertriebssystemen ist die Preisvorgabe aufgrund (internationaler) kartellrechtlicher Vorschriften (mit wenigen Ausnahmen) nicht erlaubt.

Möchte man als Systemgeber dem Vertriebspartner nicht nur die Produkte und das produktspezifische Know-how überlassen, sondern auch Know-how im Bereich des Branding, der Geschäftsprozesse und der Qualitätssicherung, so eignen sich Systeme mit weitergehenden Elementen. Bei solchen Systemen wird dem Partner neben der Lizenz zur Nutzung der Marke auch das Geschäftskonzept überlassen. Zudem wird laufende Betreuung und Unterstützung in operativer Hinsicht geboten. Für die Unterstützung bezahlt der Partner eine Franchisegebühr.

Neben der Agentur und dem Franchising gibt es noch viele andere Vertriebsformen. Auch ein «reines» Lizenzsystem ist denkbar, bei welchem dem Partner ein individuelles Immaterialgut (zum Beispiel Marke oder Know-how) überlassen wird. Im Unterschied zum Franchising erhält der Partner aber keine laufende Betreuung und Unterstützung.

Franchising, Agentur, Lizenz & Co.: Die Qual der Wahl?!

Rein konzeptionell kann aber jedes integrierte Vertriebsmodell ähnlich aufgebaut sein. Auch ein Agent kann unter einer einheitlichen Markenstrategie auftreten und in der operativen Betriebsführung unterstützt werden. Diese Integration ist vor allem dort wichtig, wo es erfolgsrelevant sein kann, dass der Kunde überall das gleiche Verkaufserlebnis mit dem Produkt erlebt, egal ob der selbstständige Agent dieses verkauft oder ein Mitarbeiter des Systemgebers.

Welches Vertriebssystem sich für Ihr Geschäftskonzept schliesslich am besten eignet, ist eine konzeptionelle Frage, und keine rechtliche. Je mehr Sie Ihre Vertriebspartner in Ihr System integrieren möchten – und entsprechend Systemvorgaben machen – desto eher eignet sich ein Franchising- oder Agentursystem. Dies hängt aber auch von Ihrem Produkt ab. Nicht jedes Geschäftsmodell eignet sich dafür, mit unabhängigen Partnern zusammenzuarbeiten, und nicht überall ist der einheitliche Auftritt gleich wichtig.

Die Selbstständigkeit der Vertriebspartner muss gewahrt sein

Zu beachten ist, dass je nach System unterschiedliche rechtliche Konsequenzen zu beachten sind, beispielsweise nachvertragliche Kundschaftsentschädigung. Dennoch ermöglicht das liberale regulatorische Umfeld in der Schweiz einem Systemgeber, sein System relativ frei zu gestalten und individuelle Lösungen mit seinen Partnern zu finden. Bei integrierten Vertriebsformaten darf aber trotz aller Integration nicht vergessen werden, dass sich zwei unabhängige Partner gegenüberstehen, die selbstständig sind. Die Selbstständigkeit der Vertriebspartner muss gewahrt sein.

Werden Sie sich also klar darüber, was Ihnen für Ihr Geschäftsfeld wichtig ist, bevor Sie sich für das eine oder andere Systemformat entscheiden. Nur dies ist nachhaltig für Ihren Geschäftserfolg und der Ihrer Vertriebspartner.

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