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Vergütungen von Laboren

Dürfen Labore Ärztinnen und Ärzte entschädigen?
Auswirkungen der VITH und kantonaler Empfehlungen

10.01.2020 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Waadt hat eine Empfehlung über Vergütungen erlassen, die Auftragslabore an Ärztinnen und Ärzte gewähren dürfen. Die Empfehlungen enthalten eine detaillierte Auflistung von zulässigen und unzulässigen Vorteilen.

Zulässige und unzulässige Vergütungen

Nach Auffassung der Waadtländer Gesundheitsbehörden sind folgende Vergütungen zulässig:

  • Vergütungen für präanalytische Tätigkeiten: Maximal CHF 10 pro Auftrag. Die entschädigten Leistungen sollen die Qualität und Sicherheit der medizinischen Leistungen verbessern, beispielsweise durch die elektronische Übermittlung des Analyseauftrages.
  • Vergütung für die Blutentnahme: Maximal CHF 6.60 pro Auftrag, sofern diese Leistungen nicht bereits anderweitig vergütet werden, u.a. TARMED.
  • Vergütung für den administrativen Aufwand im Zusammenhang mit der Probenübergabe durch medizinische Einrichtungen und ärztliche Praxen. Die Höhe der Vergütung ist beschränkt auf den effektiven Aufwand des Arztes bzw. seiner MPA.
  • Gebrauchsüberlassung (unentgeltlich) von Infrastruktur und Software, die der Arzt
  • zur Erfüllung seiner präanalytischen Aufgaben benötigt.
  • Verschenken von Probenmaterial, beschränkt auf einen Gesamtwert von CHF 300 pro Praxis und Jahr.

Unzulässig sind, und von Ärzten nicht angenommen werden dürfen, folgende Vergütungen (nicht abschliessend):

  1. Umsatzabhängige Vergütungen für Leistungen des Arztes.
  2. Darlehen für die Finanzierung von Praxiseinrichtungen.
  3. Kostenlose Bereitstellung von Ausrüstung oder Material.
  4. Unentgeltliche Gerätewartung.
  5. Finanzierung von Praxisangestellten (MPA).
  6. Entschädigungen für die Nutzung von Praxisflächen (z.B. Miete).

Rechtlich stützen sich die Empfehlungen auf das KVG, das MedBG und weitere Bestimmungen des kantonalen Gesundheitsrechts. Den Empfehlungen fehlt aber eine Begründung, warum die Waadtländer Gesundheitsbehörden bestimmte Vergütungen als zulässig bzw. unzulässig erachten. Dies erschwert es, die Tragweite der Empfehlungen abzuschätzen.

Verhältnis zur VITH

Gemeinsam ist den Empfehlungen und den Bestimmungen des HMG bzw. der gestützt darauf erlassenen VITH, dass bestimmte Aspekte der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern geregelt werden sollen. Zulässig ist es sowohl nach den Empfehlungen als auch nach dem HMG bzw. der VITH, dass Ärzte Leistungen für Dritte erbringen und für diesen Aufwand – angemessen – entschädigt werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem MedBG und dem KVG.

Wann ist eine Vergütung angemessen?

Die VITH lässt die Entschädigung ärztlicher Leistungen ausdrücklich zu, macht die Zulässigkeit aber von der Angemessenheit der Entschädigung abhängig. Die Empfehlungen gehen einen Schritt weiter und beschränken die Vergütungen für präklinische Tätigkeiten auf maximal CHF 10. Die vergüteten Leistungen werden nicht näher ausgeführt. Entsprechend kann auch die Angemessenheit der Entschädigung nicht beurteilt werden. Je nach Tätigkeit können CHF 10 angemessen sein oder aber auch nicht. Der Begriff "präklinische Tätigkeiten" ist zu unbestimmt, um eine abschliessende Beurteilung vorzunehmen.

Umgekehrt erklären die Empfehlungen das Vermieten von Praxisflächen für unzulässig. Die rechtliche Begründetheit dieser Aussage erscheint fragwürdig. Es kann kaum unzulässig sein, wenn ein medizinisches Zentrum einen Praxisraum an einen Radiologen vermietet, damit die Kunden zeitnah einen radiologischen Befund erhalten können. Entscheidend ist die Angemessenheit oder Marktüblichkeit des Mietzinses.

Entgegen den Empfehlungen ist auch die Finanzierung einer Praxiseinrichtung nicht per se unzulässig. Es gibt keine Rechtsgrundlage, die es einem Auftragslabor verbietet, seinen Kunden ein Darlehen für die Finanzierung von Praxiseinrichtung oder Diagnosegeräten zu gewähren. Erforderlich ist einzig, dass die Finanzierung zu marktüblichen Konditionen erfolgt und der Arzt einen angemessenen Zins bezahlt.

Verbot von Doppelvergütungen

Nicht angemessen ist eine Vergütung, wenn die Leistung dem Arzt bereits anderweitig vergütet wird. Eine doppelte Vergütung für ein und dieselbe Leistung ist weder mit dem MedBG noch mit dem HMG zu vereinbaren. Entsprechend hat das Bundesgericht entschieden, dass ein Arzt für die elektronische Erfassung von Rezeptdaten nicht entschädigt werden darf, weil derselbe Aufwand ihm bereits über den TARMED abgegolten wird. Für die Annahme einer Doppelvergütung genügt es, dass der Arzt die Leistung nach dem TARMED abrechnen kann. Ob er es effektiv tut, ist unerheblich. Keine Doppelvergütung liegt vor, wenn der Arzt eine Leistung erbringt, die zwar durch den TARMED abgegolten ist, für den Patienten aber einen Mehrwert darstellt. Entsprechendes gilt für die Entschädigung präklinischer Leistungen. Eine Entschädigung ist also nicht allein deswegen zulässig, weil die Entschädigung weniger als CHF 10 beträgt. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die konkret entschädigten vergüteten Leistungen nach dem TARMED abgerechnet werden können. Diese Frage kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern nur mit Blick auf die konkret vergüteten Leistungen.

Unzulässige Gratiszugaben

Nach den Empfehlungen der Waadtländer Gesundheitsdirektion soll das Verschenken von Probenmaterial zulässig sein – vorausgesetzt, der Warenwert pro Arzt und Jahr beträgt weniger als CHF 300. Dies entspricht dem Wert für Vorteile von bescheidenem Wert. Die VITH lässt diese zu, sofern die Vorteile für die medizinische oder pharmazeutische Praxis relevant sind oder dem Patienten direkt zu gut kommen.

Würdigung

Nach den aus dem Kanton Genf bekannt gewordenen Vorfällen sind die Empfehlung der Gesundheitsdirektion des Kantons Waadt zu begrüssen. Die Empfehlungen sind aber nicht mehr als ein erster Versuch, konkrete Vorgaben zu machen, wie Ärzte für ihren Aufwand vergütet werden dürfen, der ihnen bei der Zusammenarbeit mit Dritten entsteht.

Auch im Gesundheitswesen ist die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern nicht grundsätzlich verboten. Sie liegt im Interesse der Patienten und trägt dazu bei, die Qualität medizinischer Leistungen zu verbessern. Entsprechend kann die Zulässigkeit von finanziellen Abgeltungen derartiger Leistungen nicht aufgrund von starren Regeln beurteilt werden. Die Beurteilung muss mit Blick auf den Zweck und die Angemessenheit der Entschädigung vorgenommen werden.

Diese Schlussfolgerungen gelten ohne Unterschied sowohl für das MedBG, das KVG als auch das HMG oder die VITH. Entsprechend vermögen die Empfehlungen der Waadtländer Gesundheitsbehörden nicht zu überzeugen. Sie können deshalb auch nicht unbesehen auf die VITH übertragen werden.